Donnerstag, 9. April 2009

Politically incorrect

Was Spießer aller Länder und Kulturen gemeinsam haben, ist die Borniertheit, mit der sie Menschen ablehnen, die anders aussehen, leben, lieben oder denken - egal, ob es sich um orientalische Zuwanderer handelt, die leicht bekleidete Frauen als Huren ansehen, um deutsche Kleinbürger, für die Migranten generell Schmarotzer sind, um Christen oder Muslime, die es für verdammenswert halten, wenn zwei Männer sich lieben, um Rechtsradikale, die Linke für "Zecken" halten, oder um Linke, für die Rechte mit Rechtsradikalen sowie Rassisten identisch sind.

Sogar ich wurde schon als Rassist verdächtigt. Auf solch einen abwegigen Gedanken muss man erst einmal kommen. Aber manche schaffen das.

Ich ließ mich vor einiger Zeit in meiner philhellenischen Begeisterung zu der kühnen These hinreißen, dass die alten Griechen bei der Weiterentwicklung des Homo sapiens anderen weit voraus waren und dass Araber, Türken, Deutsche sowie andere Völker des Orients und des Occidents mehr oder weniger "Barbaren" geblieben wären, wenn sie nicht die Chance gehabt hätten, Kulturen auf jenen geistigen Grundlagen aufzubauen, die von den Griechen geschaffen worden waren. Der Unterschied zwischen der altgriechischen Hochkultur und den barbarischen Kulturen in in ihrer Nachbarschaft bestand -metaphorisch gesprochen - darin, dass ein Grieche schon als Kind nicht bloß lernte, ein Messer als Waffe zu gebrauchen, sondern auch als Werkzeug, mit dem sich kunstvoll schnitzen und Nutzgegenstände herstellen lassen, während für die meisten Barbaren bis heute ein Messer zum Töten, allenfalls noch zum Waiden da ist. Ich wollte, man würde auch heute manchen Jungen welcher Herkunft auch immer beibringen, dass man mit einem Messer etwas herstellen und nicht nur zustechen kann; denn an der Fähigkeit und Bereitschaft, das eine zu tun und das andere zu lassen, kann man im Grunde immer noch den Entwicklungsstand einer ethnokulturellen Bevölkerungseinheit ermessen, wie ich kess hinzufügte.

Daraufhin warf mir eine Gesprächspartnerin recht aggressiv Rassismus vor, als ob ich gerade einen Vortrag über biologische Determinanten in der Entwicklung von Griechen und anderen gehalten hätte - und sie spitzte dazu passend ihren Mund schnabelförmig zu, als wollte sie damit wie ein Vogel auf mich einhacken. Nach meinen Beobachtungen machen das nur Frauen so. Männer neigen eher dazu, beim Streit mit einem anderen sich dicht vor diesem aufzustellen und dabei den Kopf leicht zu senken, als wollten sie wie ein Stier ihr Gegenüber auf die Hörner nehmen. Da ich es nicht ausstehen kann, wenn man mir zu nahe tritt, erinnere ich solche Männer dann gerne daran, dass es doch viel schönere Situationen gibt, in denen ein Mann zeigen kann, ob er zum Stier taugt. Ich habe allerdings den Eindruck, dass mancher meinen Humor nicht versteht. Ich erlaube mir deshalb den wiederum humoristisch gedachten Hinweis, dass nach mittelalterlicher Vorstellung Humor eine Körperflüssigkeit ist, die - im realen Sinne des Wortes - Einfluss auf die Stimmung eines Menschen hat. Ein Schelm ist, der Unkeusches dabei denkt!

Mit Humor will ich nun auf das Stichwort Rassismus zurückkommen und darauf etwas näher eingehen. Ich gehöre ja zu der kleinen, radikalen Minderheit, die nicht einmal davor zurückschreckt, mit Humor auf Rassismus-Vorwürfe zu reagieren. Ich gebe das zu, obwohl ich ahne, dass viele das nicht für politisch korrekt halten und es auch unter Euch den einen oder - wie ich glaube - eher die andere gibt, die deshalb möglicherweise ebenfalls mit schnabelförmig zugespitzten Lippen den in solcher Lage gerne gesagten Satz hinauszischt: "Ich finde das überhaupt nicht komisch!" Was mich an diesem Satz besonders beeindruckt, ist nicht das, was gesagt wird, sondern das, was letzten Endes gemeint ist, aber nicht gesagt wird; denn wenn der Gedanke konsequent zu Ende gedacht und dementsprechend formuliert würde, müsste sinngemäß hinzugefügt werden: Wenn ich das nicht komisch finde, dann solltest Du das auch nicht! Aber das wird selten ausgesprochen. Vielleicht will man nicht offen zugeben, dass man gerne die eigene Einstellung zum Maßstab nimmt, an dem man das Verhalten anderer misst - und dass man sich damit anmaßt, das Verhalten anderer zu verurteilen. Wer gibt schon gerne - und damit bleibe ich im Bild - das Ausmaß der eigenen Borniertheit zu? Wenn es um Setzen von Maßstäben geht, sind sich übrigens Hinz und Kunz, Mehmed und Ahmed ziemlich ähnlich - besonders dann, wenn er sich beim Maßnehmen mit Gleichgesinnten einig weiß, wobei es nicht so wichtig ist, ob er Rassist oder Multikultivisionist, Faschist oder Kommunist, fundamentalistischer Christ oder Islamist ist.

Seitdem man den Menschen einredet, sie seien mündige Bürger, sind manche doch recht vorlaut geworden. Vielleicht sollte man ihnen erklären, das ein mündiger Bürger in erster Linie ein informierter Bürger ist, der erst einmal nachdenkt und insofern nicht vorlaut ist.

Wenn ich beispielsweise Internet-Foren besuche, staune ich immer wieder über die dort herrschenden Kommunikationssitten. Ich bin ja ein Mann der alten Schule und glaube daran, dass ein Gespräch vor allem dann sinnvoll ist, wenn für die Beteiligten dabei Erkenntnisse herauskommen - dass es also nach Möglichkeit um gegenseitige Informationen geht, aus denen jeder Gesprächsbeteiligte Schlussfolgerungen ziehen kann. Ich habe allerdings den Eindruck, dass es vielen Teilnehmern von Internet- oder anderen Gesprächsforen nicht um gegenseitige Informationen geht - auch nicht um Positionen, zu denen man im Laufe eines Gesprächs kommen kann, sondern um die Behauptung der Positionen, die man schon zu Gesprächsbeginn eingenommen hat, von denen man sich nicht abbringen lassen will und die zu Angriffen auf andere benutzt werden - und dabei schreckt man vor Unterstellungen sowie vor Beschimpfungen nicht zurück: "Wenn Du so denkst, dann bist Du..." Als was der Beschimpfte hingestellt wird, hängt vom jeweiligen Standpunkt des Schimpfenden ab: "Rassist" oder "Multikultispinner", "Militarist" oder "Pazifist", "Scheißdeutscher" oder "Kanacke", "Schweinefleischfresser" oder "Yallah". Die Reihe lässt sich beliebig lang fortsetzen, der Unterhaltungswert der Verbalinjurien nimmt allerdings nicht im gleichen Maße zu.

Früher, als wir Deutsche noch fast ausschließlich unter uns im Lande waren, dachte ich, Rechthaberei und Verunglimpfung Andersdenkender wären typisch deutsche Eigenschaften, die zumindestens teilweise auf die Glaubensspaltung zurückzuführen ist, die in Deutschland tiefer als in anderen Ländern ging und zu folgenden Frontenbildungen führte: Katholiken waren für die Protestanten "Papisten" und Protestanten für die Katholiken "Ketzer". Seitdem unser Land auch von Türken sowie anderen Immigranten bevölkert wird, weiß ich, dass wir Deutschen nicht die einzigen Bornierten sind.

Vor einiger Zeit wollte ich mich in einem "Netz gegen Nazis" engagieren, das von einem seriösen deutschen Zeitungsverlag initiiert wurde. In einem Zwischenbericht des Netzwerkes las ich, Nazis versuchten, dieses "Netz" zu unterwandern, in dem sie sich als gemäßigte Bürger tarnten; man müsste sie deshalb enttarnen und könnte - wie ich zu meiner Verblüffung las - einen Nazi daran erkennen, dass er für eine gleichmäßige Bekämpfung von Links- und Rechtsradikalismus einträte. Um nicht selbst als vermeintlicher Nazi enttarnt zu werden, verzichtete ich lieber auf ein Engagement in diesem Netz und dachte voller Grausen: Wer solche Antifaschisten hat, braucht keine Faschisten mehr, wenn es um die Verfolgung Andersdenkender geht. Manche Antifaschisten und Antirassisten erinnern mich fatal an jene Neurotiker, die in meiner Jugendzeit jeden Linken für einen Agenten Moskaus hielten.Die frühneuzeitlichen Inquisitoren der Römischen Kirche kommen mir im Vergleich dazu wie Forscher vor, die mit soliden wissenschaftlichen Methoden zu ihren Erkenntnissen kamen.

Dass ich auf meine alten Tage für einen Nazi gehalten werde, fehlte mir noch in meiner Sammlung an Erfahrungen mit der Bedienung von Klischeevorstellungen. So werde ich beispielsweise seit fast 30 Jahren immer wieder in unterschiedlichen Situationen sowie von verschiedenen Menschen für einen Polizisten in Zivil gehalten. "Hey, Zivi, hau hier ab", riefen mir beispielsweise Jugendliche zu, als ich vor etwa dreißig Jahren nach einem Brandanschlag auf die Landesgeschäftsstelle der Alternativen Liste (AL), wie die Berliner "Grünen" damals hießen, vor dieser Geschäftsstelle stand - und ehe ich ihnen den Gefallen tun und abhauen konnte, packten sie mich schon am Kragen. Glücklicherweise hatte ich eine alternative Freundin dabei, die ihre zupackenden Parteifreunde davon überzeugen konnte, dass ich eigentlich nur aus Solidarität und nicht etwa aus beruflichen Gründen da wäre. Wie mir später erzählt wurde, kam es in einer Kneipe vor, dass jemand einem anderen mit Blick auf mich zuraunte: "Das ist ein Zivi, vor dem musst Du Dich in Acht nehmen" - und das, obwohl ich nur harmlos ein Bier (oder zwei) trinken wollte und nie im Polizeidienst gewesen bin.

In meiner Jugend war das anders. Da herrschten noch andere Gebote der political correctness. Damals hielt man mich nicht für einen Zivilpolizisten und schon gar nicht für einen Rassisten oder Nazi, sondern zunächst für einen Hippie. "So einen langhaarigen Hippie können wir hier doch nicht dulden", sagte eine Nachbarin in übler Blockwartmanier zu meiner Heidelberger Zimmerwirtin und meinte mich damit; denn sie fürchtete, dass einer wie ich "Leute von der Heilig-Geist-Kirche anschleppen" würde. Der Platz vor dieser Kirche galt in den siebziger Jahren als Treffpunkt für Jugendliche, die gerne mal einen Joint rauchten und deshalb für brave Bürger Asoziale waren.

Es war nicht das einzige Mal, dass ich mit meiner Haarpracht auf schroffe Ablehnung stieß. "Ihr Langhaarigen macht aber auch alles verkehrt", rief mir einst ein vergleichsweise wenig behaarter Mann in Badehose erbost zu, als ich in einem Schwimmbad nicht rechts herum schwamm, wie das dort anscheinend üblich war, sondern nach links, zumal ich gar nicht wusste, dass es im Schwimmbecken Verkehrsregeln gab, an die man sich zu halten hatte. Dass ich nach links schwamm und damit gewissermaßen vom Mainstream abwich, war nicht einmal als politische Provokation gedacht, denn ich war damals noch weit davon entfernt, als Kommunist und Revolutionär verdächtigt zu werden.

Als Kommunist oder wenigstens als Steigbügelhalter des Kommunismus und damit als politisch verdächtig galt ich erst später in den siebziger Jahren. "Wir haben uns doch nicht Jahre lang gegen den sowjetischen Druck gewehrt, um den Kommunismus nun durch die Hintertür hinein zu lassen", sorgte sich meine Berliner Vermieterin, die mich wie jeden anderen Studenten anscheinend für linksradikal hielt. Und es gab Menschen, die mir noch Schlimmeres zutrauten: Als die Rote Armee Fraktion (RAF) den Arbeitgeberpräsidenten Schleyer entführte und ich damals zufällig ein paar Wochen auf Reisen war, nahmen Leute aus der Nachbarschaft diese Abwesenheit zum Anlass, um über meine mögliche Tatbeteiligung zu spekulieren. Wie mir später andere Hausbewohner erzählten, war manchen Nachbarn plötzlich aufgefallen, dass ich nachts oft Besuch gehabt hätte und aus meiner Wohnung dann merkwürdige Geräusche zu hören gewesen wären. Was auch immer das für nächtliche Geräusche gewesen waren, hatten sie sicher nichts mit revolutionären Umtrieben zu tun, sondern allenfalls mit anderen Trieben. Immerhin kann ich mir nach dieser Erfahrung vorstellen, wie sich Muslime fühlen, die wegen ihrer Glaubenszugehörigkeit als potentielle Terroristen verdächtigt werden.

Ich gehörte weder einer der vielen kommunistischen Gruppen noch der RAF an, sondern war lediglich einige Zeit mit einer Sympathisantin des Kommunistischen Bundes Westdeutschland (KBW) liiert. Die wollte ich mit besonderem Engagement beeindrucken und dachte mir naiv: Befreiungbewegungen in der Dritten Welt zu unterstützen sowie Rassismus zu bekämpfen, ist auf jeden Fall eine gute Sache. Also trat ich - aus Liebe zu dieser Frau und aus Überzeugung - der sogenannten Agitpropgruppe einer Organisation mit dem merkwürdigen Namen "Gesellschaft zur Unterstützung von Volkskämpfen" bei und sang beispielsweise auf diversen Solidaritätsveranstaltungen mit viel Hingabe und wenig Stimme Lieder, in denen etwa der Freiheitskampf der Schwarzen in Zimbabwe verherrlicht wurde. "Chimurenga Zimbabwe" hieß das Lied, in dem es eben darum ging.

Wenn damals schon klar gewesen wäre, dass aus der Freiheitsbewegung von Zimbabwe Robert Mugabe hervorgehen und die Macht ergreifen, eine blutrünstige Diktatur errichten und das Land wirtschaftlich ruinieren würde, hätte ich besser den Mund gehalten oder etwas anderes gesungen. Aber ich wusste es nicht und hätte es vielleicht auch nicht wahr haben wollen. Und wenn mir jemand gesagt hätte, dass die Kommunisten in Kampuchea unter der Führung von Pol Pot beim Aufbau des Sozialismus ihrer Prägung ein Viertel oder gar ein Drittel der eigenen Bevölkerung töten würden, hätte ich das wahrscheinlich ebenso wenig geglaubt wie ein Palästinenser, dem man erzählt, dass weit mehr seiner Landsleute von Arabern als von Israelis getötet worden sind. Allein bei den blutigen Auseinandersetzungen zwischen den Palästinensern unter der Führung von Jassir Arafat und der jordanischen Armee im September 1970 kamen mit über 10000 Palästinensern mehr Menschen um als in allen Kriegen, an denen Israel beteiligt war. Mugabe, Pol Pot und Arafat waren für mich Freiheitskämpfer - andere dagegen wie der iranische Herrscher Mohammed Reza Schah, der sein Land selbstherrlich in die Moderne führen wollte, Lakaien des Imperialismus. Das Regime des Schah mag in mancher Hinsicht schlimm gewesen sein; aber was nach seinem Sturz kam, war weitaus schlimmer. Kaum war der Schah im Exil, kam bekanntlich ein religiöser Eiferer namens Chomeini an die Macht und errichtete ein theokratisches Regime nach mittelalterlichen Vorbildern. Ich kenne Iraner, die Schahgegner waren, inzwischen jedoch froh wären, wenn die Monarchie wiederhergestellt und das Regiment der religiösen Eiferer beseitigt wäre, nachdem sie am eigenen Leibe erfahren mussten, was 80 Peitschenhiebe als Strafe für unerlaubtes Feiern (!) anrichten können. Doch das ist noch harmlos im Vergleich zur Hinrichtung von Ehebrecher(inne)n sowie Schwulen und der Unterdrückung religiöser Minderheiten wie der Bahai.

Ich finde, man sieht es den dunkelgewandeten Turbanträgern dieses Regimes und ihren Revolutionswächtern an, dass es ihnen nicht passt, wenn die Bürger des Landes feiern oder sogar Sex mit Leuten haben, mit denen sie es nach dem vermeintlichen Willen Gottes nicht treiben sollten. Wenn es nur einer von diesen Finsterlingen wäre, der sich mit gequältem Gesichtsausdruck ablichten lässt, dann würde ich vermuten, dass ihm beim Fototermin ein verklemmter Furz zu schaffen machte; aber diese Burschen mit ihren schwarzen oder grauen Gewändern und Bärten sehen ja fast alle so aus . Und sie haben ja nicht nur im Iran die Macht, sondern gewinnen auch in anderen Ländern an Einfluss - mit Ausnahme beispielsweise von Syrien, wo die Staatsführung vor einigen Jahren 20000 oder 30000 Moslembrüder umbringen ließ und wo seitdem Ruhe herrscht.

Beim Gedanken an Rassismus als beliebtes "Totschlagargument" und an den Präsidenten des Iran, der sich nicht mit der Verbreitung des Islamofaschismus im Iran begnügen, sondern am liebsten die ganze Welt islamischen Gesetzen unterwerfen und den Staat Israel vernichten will, fällt mir ein, dass der Vorwurf des "Antisemitismus" inzwischen ein wenig aus der Mode gekommen ist. Ich habe den Eindruck, das ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass immer weniger Juden die Rolle der bemitleidenswerten Auschwitz-Opfer spielen wollen, die ihnen der Antifaschismus zugedacht hatte. Viele wollen sich anscheinend bei der Gelegenheit auch gleich den erdrückenden Umarmungen aufdringlicher Philosemiten entziehen - Leuten vom Schlage einer Lea Rosh, dieser selbsternannten Patronin aller europäischen Juden, bei deren Namensnennung manche Juden gequält die Augen verdrehen. Nach meinen Beobachtungen wollen vor allem jüngere Juden nicht beschützt werden, sondern sich selbst schützen und identifizieren sich gerne mit israelischen Kampfjetpiloten, Panzerfahrern und Raketenschützen, die aus eigener Kraft dafür sorgen wollen, dass Juden "nie wieder Auschwitz" erleiden müssen.

Das scheint nicht nur den orientalischen Islamofaschisten, sondern auch manchen deutschen Antifaschisten nicht zu passen. Ich werde heute noch wütend, wenn ich daran denke, wie vor einigen Jahren Politiker der demokratischen Konsensparteien eine gut gemeinte, aber schlecht inszenierte Großdemonstration gegen "Rechts" veranstalteten und am Anfang ein Totengebet für die im Dritten Reich ermordeten Juden gesprochen wurde, das von deutschen "Antifaschisten" und arabischen Gesinnungsgenossen durch antizionistische Kampfparolen gestört wurde. Der frühere Bundeskanzler Adenauer hatte in einer ähnlichen Situation dazu aufgerufen, solche "Lümmel" gleich an Ort und Stelle mit einer "Tracht Prügel" zu bestrafen. Ich wollte, wir hätten auch und gerade heute führende Persönlichkeiten vom Schlage Adenauers; denn den politisch Verantwortlichen der oben genannten Demonstration fehlte dessen Schneid.

"Nie wieder Auschwitz" war auch das Argument, mit dem der damalige Bundesaußenminster Fischer seine Parteifreunde davon überzeugen wollte, dass die Bundeswehr sich Ende der neunziger Jahre an einer militärischen Intervention im Kosovo beteiligen sollte. Diese zu überzeugen war nicht einfach, nachdem die "Grünen" Jahre lang "nie wieder Krieg" gerufen hatten; aber er setzte sich durch. Nach den ersten zaghaften Gehversuchen einige Jahre zuvor in Bosnien kehrte Deutschland mit dem Einmarsch ins Kosovo nun voller Einsatz in den Kreis der Mächte zurück, die gern darüber entscheiden, ob bzw. wo auf dem Balkan ein neuer Staat entsteht. Inwieweit die einheimischen Bevölkerungen mit den Beschlüssen der Schutz- bzw. Besatzungsmächte einverstanden waren, ist eine andere Frage, die nicht leicht zu beantworten ist. Im Kosovo wollte die Mehrheit der Bevölkerung wohl die Gründung des gleichnamigen Staates, mit dem übrigens vermutlich zum ersten Mal in der Geschichte die organisierte Kriminalität einen eigenen Staat erhalten hat. Normalerweise ist es eher so, dass ein Staat organisierte Kriminalität hat und nicht umgekehrt.

Was auch immer im speziellen Fall des Kosovo schief gelaufen sein mochte, im "Konzert der Mächte" Staaten auf dem Balkan zu gründen und deren Grenzlinien festzulegen, war keine neue historische Erfahrung. Das hatten die Großmächte schon im 19. und zu Anfang des 20. Jahrhunderts ausgiebig getan, wie man in Geschichtsbüchern unter der Überschrift "Imperialismus" nachlesen kann. Unter welcher Überschrift die Geschichtsschreibung die neueren Interventionen auf dem Balkan und anderswo abhandeln wird, ist noch nicht bekannt.

Wenn man sich schon an imperialistischen oder ähnlich kriegerischen Aktionen beteiligt, dann sollte man dazu offen stehen und nicht - wie in Afghanistan - so tun, als hätte man das Technische Hilfswerk zur Hilfe geschickt. Das ist natürlich schwierig, da die Deutschen von Kriegen "die Schnauze voll" haben, nachdem sie zwei Weltkriege angezettelt, sowohl den einen wie den anderen verloren und nebenbei auch noch Völkermord begangen hatten. Nach diesen traumatischen Erfahrungen wollen die Deutschen zwar liebenswürdigerweise "nie wieder Krieg", als ob es nur darum ginge, was sie wollen; aber sie fielen dabei von einem Extrem ins andere - vom militaristischen Herrenmenschen zum pazifistischen Musterknaben, der am liebsten schon vor dem Beginn eines Krieges kapitulieren würde. "Lieber rot als tot" hieß die dazu passede Parole, als es Anfang der achtziger Jahre um den Nachrüstungsbeschluss der NATO ging. Vielleicht sind es diese Extreme, an die Winston Churchill bei den Worten dachte: Die Deutschen hat man entweder am Hals oder man hat sie zu Füßen.

In den Predigten der Geistlichen und den Ansprachen der weltlichen Politiker zu Weihnachten und zum Jahreswechsel wird vermutlich wieder viel davon die Rede sein, wie wichtig der Frieden ist und was alles getan werden müsste, um Frieden zu schaffen bzw. zu erhalten. Vielleicht wird man wieder die Israelis mahnen, netter zu den Palästinensern zu sein; aber man wird vermutlich kaum daran denken und noch weniger unternehmen, um die Massaker im Kongo, den Völkermord in Dharfur, die Ausrottung der Bahai im Iran, die Verfolgung der Christen im Irak und in Pakistan sowie die blutigen Auseinadersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten in diesen Ländern zu stoppen. Man wird das voraussichtlich weiter den Amerikanern überlassen, soweit diese sich je nach eigener Interessenlage irgendwo engagieren, wird vielleicht wieder auf die Straße gehen und dagegen protestieren, teilweise jedoch klammheimlich froh sein, dass andere sich die Hände schmutzig machen und man das nicht selber tun muss. Vielleicht wird man in dem Zusammenhang wieder das Lied vom amerikanischen Mars und der europäischen Venus singen und dabei übersehen, dass diese Venus mittlerweile so wenig Reize zu bieten hat wie eine alte abgetakelte Hafennutte.

Man wird ferner in den Predigten und Ansprachen wie immer für mehr Toleranz gegenüber Minderheiten im eigenen Land plädieren, als wenn wir davon nicht schon genug hätten. Personen oder Gruppen zu tolerieren, heißt ja nur, sie zu dulden oder sie gewähren zu lassen. Das ist zu wenig. Viel wichtiger wäre es, sich mit ihnen ernsthaft auseinanderzusetzen und in dem Zusammenhang auch Forderungen zu stellen. Dazu braucht man allerdings Menschen vor allem in der Politik, die den Mut haben, das zu fordern, was sie für erforderlich halten, und auch entschlossen sind, daran festzuhalten, wenn sie auf Widerspruch stoßen - Politiker vom Schlage eines Konrad Adenauer oder Helmut Schmidt, vielleicht sogar eines Gerhard Schröder. Dazu braucht man allerdings ebenso Parteien, die ihren eigenen Spitzenpolitikern den Rücken stärken und sich nicht in Krisensituationen von ihnen abwenden, wie es Helmut Schmidt in Verbindung mit dem NATO-Nachrüstungsbeschluss und Gerhard Schröder im Zusammenhang mit der Agenda 2010 erfahren mussten.

Gerhard Schröder war übrigens nicht der erste und wird wohl auch nicht der letzte deutsche Bundeskanzler sein, der scheitert(e), weil er für einen Wechsel in der Politik eintrat. "Wir wollen nicht alles anders, aber vieles besser machen", hieß der vorsichtige Wahlslogan, mit dem er 1998 die Bundestagswahlen gewann. Aber als es mit der Agenda 2010 an Besitzstände ging, ließen ihn die eigene Partei ebenso wie die Wähler im Stich. Dass Angela Merkel ihn als Bundeskanzlerin ablösen konnte, obwohl sie mit ihren Forderungen nach Reformen 2005 eines der schlechtesten Wahlergebnisse ihrer Partei erzielte, lag nur daran, dass Gerhard Schröder noch schlechter abschnitt. Mit Reformankündigungen kann man - wie Willy Brandt 1972 - nur Wahlen gewinnen, wenn das Wahlvolk durch Reformen keine finanziellen Belastungen, sondern mehr Geld in ihrem Portemonnaie erwarten. Dann schauen die Wähler sogar darüber hinweg, dass der Regierung Brandt zuvor erst der Finanzminister und dann der Wirtschaftsminister abhanden gekommen waren, weil sie die Finanz- und Wirtschaftspolitik der damaligen sozialliberalen Koalition nicht mehr mitverantworten wollten. Ansonsten fühlten sich die Deutschen am wohlsten, wenn es "keine Experimente" gibt. Das war die Parole, mit der Konrad Adenauer 1957 für seine Partei die absolute Mehrheit im Bundestag gewonnen hatte.

"Deutschland, Deutschland über alles" sangen die Deutschen einst und waren sogar bereit, dafür Opfer zu bringen. Nach zwei Weltkriegen, Hyperinflation, Weltwirtschaftskrise und Massenarmut, Nazidiktatur und Teilung des Landes stellen sie jetzt nur noch ihre soziale Sicherheit über alles. Aber die wird immer brüchiger und infolgedessen werden die Menschen hier im Lande immer mutloser, als hingen die wirtschaftlichen und sozialen Perspektiven einzig und allein von einem unkündbaren Arbeitsverhältnis ab.

Wenn ein Deutscher kein eigenes Einkommen hat oder mit seinem Einkommen nicht auskommt, erwartet er selbstverständlich finanzielle Hilfe vom Staat und bekommt die auch. Das ist bequem und spricht sich herum. Inzwischen machen sogar Mütter hier lebender Türken auf der Suche nach Importbräuten in der Türkei für ihre Söhne dort für unser Land damit Werbung, dass man hier nicht arbeiten müsse, sondern sein Geld vom Staat bekäme, und machen sich anscheinend wenig Gedanken darüber, woher der Staat das Geld bekommt, das er großzügig verteilt - so wie es ja auch Leute gibt, die eine Steckdose für eine Stromquelle halten und nicht auf die Idee kommen, dass auch eine Steckdose mit Strom gespeist werden muss.


Wenn dagegen ein Amerikaner mit dem Geld, das ihm sein Job einbringt, nicht auskommt, dann erwartet er im allgemeinen nicht etwa Hilfe vom Staat, sondern sucht sich einen zusätzlichen Job. Das ist nicht so bequem, aber trägt vielleicht dazu bei, dass in den USA ein Kandidat die Wahl zum Präsidenten gewinnen kann, der für "Change" eintritt und das Selbstbewusstsein der Wähler mit den Worten stärkt: "Yes, we can!" Können wir Deutsche auch? Wir waren ja sogar zu mehr als 80% für Barrack Obama, obwohl doch Angst vor jedem "Change" schon seit 1945 zu unserem Nationalcharakter gehört. Aber wir wissen, dass "Change" in Amerika stattfinden soll und nicht bei uns. Da fällt einem die Begeisterung schon leichter.

Barrack Hussein Obama hat fast überall in der Welt so viele Erwartungen geweckt, dass Enttäuschungen kaum ausbleiben können. In Kenia und anderen afrikanischen Ländern werden vermutlich schon Wunschzettel geschrieben, die man dem großen reichen Onkel aus Amerika zu Weihnachten schicken will. In den arabischen Ländern werden Leute interviewt, die anscheinend ernsthaft der Meinung sind, dass von einem US-Präsidenten, der in Indonesien angeblich eine muslimische Schule besuchte und außerdem mit seinem zweiten Vornamen "Hussein" heißt, eine moslem- und araberfreundliche Politik zu erwarten ist. Adel verpflichtet - aber Namen auch? Schauen wir mal, wie es weiter geht im Weltgeschehen!